von Raif Hussein
Seit zwölf Jahren
bekämpfen sich nun die palästinensischen Bewegungen FATAH und HAMAS.
Und inzwischen steht wohl unumstößlich fest: Die Palästinenser haben es trotz
aller
Bemühungen und Vermittlungsversuche der arabischen Herrscher und trotz
zahlreicher
Versöhnungsküsse zwischen FATAH- und HAMAS-Funktionären nicht geschafft, ihre
politische, soziale und geografische Spaltung zu überwinden. Schlimmer noch,
die Gräben
zwischen beiden Bewegungen sind heute tiefer als jemals zuvor.
Zwölf Jahre später müssen wir mit Bedauern feststellen, dass die Sehnsucht des
palästinensischen Volkes nach Einheit und Stabilität in weite Ferne gerückt
ist. Ungeachtet
der Tatsache, dass es weiterhin gilt, zahlreichen äußeren Gefahren und internen
Herausforderungen zu begegnen.
Und FATAH und HAMAS haben ihre fraktionsinternen Interessen über die nationalen
Interessen des Volkes gestellt. In beiden Fraktionen hat sich jeweils eine
einflussreiche
Minderheit herausgebildet, die die Spaltung gewinnbringend für sich
instrumentalisiert und
alles daran setzt, diese auch aufrecht zu erhalten.
Zwölf Jahre später müssen wir zugeben, dass unter der herrschenden Agenda im
palästinensischen politischen System eine Wiederherstellung der nationalen
Einheit fast eine
unmögliche Aufgabe geworden ist. Zu sehr basiert dieses System auf
Alleinherrschaft und
Ausgrenzung des Anderen.
Ein Ausweg aus dem Labyrinth kann nur durch einen drastischen Paradigmenwechsel
–
sowohl im politischen System als auch im Staatswesen – gelingen. Dieser kann in
fünf
Schritten realisiert werden:
- Die
Trennung der Aufgabenbereiche der „Palestine Authorities“ (PA) von denen der
PLO. Die PA vertritt die täglichen Interessen eines Teiles des palästinensischen
Volkes, des Teils der in den Gebieten von 1967 lebt. Die PLO ist die Vertreterin der
Gesamtinteressen des palästinensischen Volkes – sowohl der politischen wie auch
außenpolitischen. Infolgedessen ist sie auch für die Verhandlungen über eine
friedliche Lösung mit Israel zuständig. - Das
politische System wird von dem augenblicklichen präsidialen zu einem
parlamentarischen System umgewandelt. Dabei wird das Präsidentenamt der PLO von
dem Ehrenpräsidialamt der PA getrennt. - Palästina
wird ein Föderationsstaat mit vier Bundesstaaten: Gaza, Nord-Westbank,
Süd-Westbank und Ostjerusalem. Und zwar mit einem Bundesvertrag, ähnlich wie
derjenige der Bundesrepublik Deutschland, mit einem Finanzausgleichabkommen
und Bundesrat. - Die Wahlen
im Bundesstaat Palästina und in den Bundesländern werden nach dem
100% Verhältniswahlrecht mit einer niedrigen Sperrminorität von maximal 1%
durchgeführt. Dies gibt allen politischen und gesellschaftlichen Gruppen die
Möglichkeit, beim Aufbau des Staates und bei der Entwicklung einer pluralistischen,
säkularen Gesellschaft mitzuwirken und die Einheit des Volkes voranzutreiben. - Die
militärischen Arme der Widerstandsbewegungen werden alle in nationale
Verteidigungskomitees, die den Innenministerien den Bundesländern unterstehen,
integriert. Palästina wird zudem, nach einem Friedensvertrag mit Israel, ein
waffenfreier Staat ähnlich wie Costa Rica.
Fest steht: Wenn ein
solcher Paradigmenwechsel nicht gelingt, wird die Abwärtsspirale weiter
gehen. Palästina wird in einem völligen Chaos enden. Ein militärisches,
politisches und
gesellschaftliches Chaos, in das alle Beteiligte, Palästinenser, Israelis und
die arabischen
Nachbarn, hineingezogen werden.